Mittwoch, 15. Juli 2015

Schall und Rauch

Eigentlich schlafe ich zur Zeit recht gut. Das ist bei mir ja immer so eine Sache, gerade bei Hitze habe ich da gerne mal so meine Problemchen. Und wenn dann auch noch die LEV-Rentnergang einen Lacher nach dem anderen raus haut, kann es nachts schon mal ungemütlich werden. Aber eigentlich schlummere ich momentan recht entspannt - wenn da nur nicht diese merkwürdigen Träume wären.

Man träumt sich manchmal aber auch einen Scheiß zusammen! Mein Favorit ist immer noch der, in dem ich mit einem Bonanza-Rad auf der Bochumer Straße in ein Motorradrennen gerate und den zweiten Platz belege, worauf ich die Wohnung der Mutter einer Exfreundin aufsuche und sie frage, ob sie einen Waschlappen hat. Was für ein Blödsinn - ich hatte nie ein Bonanza-Rad!

Mein letzter Traum war aber auch nicht ohne: ich befinde mich allein auf hoher See, und mein Ruderboot hat bereits ein Leck! Da kommt ein Rettungsschiff des Wegs, und der Kapitän ruft mir zu: "Heda, junger Freund, Dein Leiden hat ein Ende! Komme rasch an Bord und blicke in eine sorgenfreie Zukunft!" Und ich so: "Tut mit leid, das kann ich nicht machen! Die Tradition gebietet es, dass ich es ohne fremde Hilfe schaffe. Und sollte ich auch elendig verrecken, so bliebe mir doch wenigstens der Stolz, aufrecht krepiert zu sein!" Der Kapitän ruft mir noch ein aufmunterndes "Mach's gut, du Trottel!" zu und lässt sein Schiff Fahrt aufnehmen. Vom Heck grüsst der Schriftzug "MSS WOHNBAU". Etwas kribbelt auf meinem Arm; eine Stechmücke schlägt sich fassungslos mit der Hand ins Gesicht. Denn die Stechmücke ist clever, sie erkennt eine gute Gelegenheit wenn sie eine sieht.

Ihre deutschen Verwandten sind ähnlich schlau, denn sie bekamen "eine Angebote, dasse sie nickt könne ausschlagen" : das Essener Unternehmen "Wohnbau e.G." steigt als Großsponsor bei den Moskitos ein. Der Haken: die Firma wird Namenssponsor, demnach heisst der Verein ab sofort " ESC Wohnbau Moskitos Essen“.

Die Stimmungsaktivisten vom Essener Dudelfunk (a.k.a. "Ultras") finden das natürlich nur so mittelgut: sie verliessen direkt nach der Namenspräsentation geschlossen (also alle beide) die Pressekonferenz - nicht ohne dem ESC-Präsidenten Torsten Schumacher ein wutentbranntes "Schäm Disch!" entgegenzuschleudern. Direkt im Anschluss machten die Mitglieder der "Aktiven Szene Essen" (also alle zwanzig) mobil und verkündeten per fuckbook, dass sie "den Scheiss nicht mehr mitmachen!!!" und ab sofort die Spiele der Moskitos boykottieren würden. Als Abschluss machte die Szene klar: "Gegen den modernen Eishockey!" und damit auch gegen das Rechtschreibreform!



Diese Ankündigung sorgte für, sagen wir mal, weniger Aufruhr als erhofft - man freute sich über ruhige Zeiten für den Ordnungsdienst, bejubelte die Abwesenheit "infantiler Tapeten" und schlug vor, die Stimmungsaktivisten sollten mal anfragen ob sie die Sponsorengelder "mit ihrem Taschengeld" auffangen könnten. Ein Duisburg-Fan zeigte sich angesäuert, da er als "Wohnbau"-Mieter fortan den alten Feind unterstütze, aber a bisserl Schwund ist ja immer! Zu schlechter Letzt wurde ein Protest-Spucki präsentiert, der u.a. den Original-"Wohnbau"-Schriftzug zeigt und dem neuen Namensgeber somit kostenlose Werbung beschert - gut gemacht!



Nun, auch ich finde den Namen zugegebenermaßen recht albern, aber in meinen Augen hat der Verein alles richtig gemacht. Die "Wohnbau e.G." ist keine Unbekannte im Essener Lokalsport; neben dem Basketball-Zweitligisten Wohnbau Baskets unterstützt man auch den Inlinehockey-Bundesligisten Wohnbau Rockets, in beiden Fällen zur vollsten Zufriedenheit der Vereine. Dass sich die Moskitos nach drei finanziellen Seuchenjahren einen derart strahlenden Hauptsponsoren schnappen konnten, mag auch mit dem neuen Konzept zusammenhängen, welches die Förderung junger Talente in den Fokus stellt. Das wurde zwar nicht ganz freiwillig abgesegnet, aber anders wäre die Wohnbau wohl nie in diesem Ausmaß eingestiegen - schliesslich haben auch die einen Ruf zu verlieren. Man kann den Einstieg also durchaus als Belohnung für späte Einsicht sehen, und vielleicht ziehen ja andere Sponsoren mit.

Was den Boykott der Ultras angeht, kann ich in diesem Fall nur sagen: hoppla, zwei Fliegen mit einer Klappe! Wer von Traditionsverlust faselt, hat noch nie von Essen-West gehört. Wer "Wohnbau"-Gesänge befürchtet, hat noch nie die "Dynamo"-Rufe bei den Eisbären Berlin erlebt. Und wer denkt, mit dem Namen mache man sich lächerlich, kann mal in Nürnberg bei den IceTigers anrufen - schlimmer geht immer. Geld macht den Sport kaputt? Bullshit, es macht ihn möglich!

Ich fragte den familienzugehörigen Teenager, einen glühenden Verehrer des völlig falschen Fußballclubs, wie er es fände wenn dies alles "seinem" Club geschehen würde. Er entgegnete, es sei eine zwiespältige Situation denn Veränderungen seien immer schwierig, allerdings seien diese kein Grund für dauerhaften Liebesentzug. Okay, im Wortlaut sagte er "Kacke, aber egal!" Und ich so: "Die Essener Ultras sehen das anders und boykottieren nun den Verein..."

Der Teenager grinste.

"...und zwar alle dreissig!"

Der Teenager lachte.