Dienstag, 21. Oktober 2014

Kleiner Mann ganz gross!

Herne - Frankfurt 7-0

Hmm, eigentlich eine ziemlich billige Überschrift, aber mal ehrlich: billig, da steht ihr doch drauf! Und ausserdem habe ich überhaupt keine Zeit für fein ausformulierte Überschriften-Bonmonts. Ich habe nämlich gerade eben, also quasi nach dem fünften Meisterschaftsspiel bemerkt, dass ich mit meinem Anspruch, zu jedem Spiel einen Text zu verfassen etwas hinterher hinke. Und zwar um fünf Spiele, um genau zu sein. Also husch husch, auf gehts...

 ...mit dem ersten Spieltag; die Frankfurter Jung-Löwen sind zu Gast und scheinen noch nicht gezahnt zu haben, denn Bissigkeit geht anders. Zu harmlos erscheint das Ganze, und so hat die Frankfurter Zweitvertretung alle Hände voll zu tun, während die Herner ihr übliches Spiel voran treiben, nämlich das gewohnt miserable Power Play, gepaart mit einem nicht vorhanden Mann im Zentrum vor dem Tor. Gottseidank, alles beim Alten! Aber man sollte gerade im ersten Saisonspiel (und dann noch gegen einen derart passiven Gegner) keine allzu grossen Ansprüche stellen, zumal die Pass- und Laufwege schon wesentlich besser funktionieren als noch in der Vorbereitung. Ansonsten gibt´s nicht viel zu sagen: drei Punkte, netter Abend, gute Unterhaltung - für den Anfang ganz gut! Kleiner Wehrmuts-Tropfen: aus dem Abendspiel wurde eine Nachtschicht, weil es für die Frankfurter völlig neu zu sein scheint, dass donnerstagabends vor einem „langen Wochenende“ bei gleichzeitigem Beginn der Herbstferien die A45 doch etwas gefüllt sein könnte.


The A45 according to the Frankfurt Lions

Die Überraschung des Abends war für mich die Reaktion der Herner Publikums auf den Aufreger der Woche. Für einen Klatscher und Tratscher wie mich war die komplette Prä-Saison mit nicht vorhandenen Skandalen und Querelen der reinste Alptraum, insofern war ich fast schon erleichtert, als pünktlich zum Saisonstart doch noch ein Aufreger seinen Weg in die sozialen Medien fand. Denn am 1. September erscheint auf der Herner Heimatseite die Mitteilung, dass Willi Gross ab sofort nicht mehr für Herne auflaufen wird.

Bamm! Na, das war doch mal was, oder? Hernes Publikumsliebling Numero Uno nicht mehr dabei? Mwahaha, auf DEN Shitstorm freu ich micht jetzt schon!



Ha! Von wegen, war alles halb so wild. In einem von mir gerne besuchten Eishockeyforum entbrannte direkt die Frage, wer denn nun die vakante Verteidigerstelle einnehmen würde, ob das überhaupt notwendig sei und blablabla. Und selbst auf facebook, der Mutter aller Scheisseschleuder-Medien, blieb der Ton halbwegs moderat. Im Grossen (har har) und Ganzen hatte es den Anschein, als würde man sich eher über die Art und Weise der Verbreitung dieser Nachricht aufregen, immerhin lag noch 90 Minuten nach Bekanntmachung keine Stellungnahme des Vereins vor. Trainer Pape war auch noch im Amt, kein Bericht auf RTL 2 - was soll das? Sieht so etwa seriöse Pressearbeit aus, dass dem geneigten Fan Vereinsinterna vorenthalten werden und man nicht medial aufbearbeitet vor versammeltem fb-Mob zu Kreuze kriecht?

Genau!

Weiter will ich gar nicht ins Detail gehen; denn meiner Stammleserschaft muss ich die Richtigkeit dieses Vorgehens in einem derart delikaten Fall nicht erklären und für die anderen wären das hier viel zu viele Buchstaben. Viel interessanter ist ein kleiner Aspekt, der den fb-Verweigerern wahrscheinlich entgangen ist. Denn am darauffolgenden Tag wandte sich Michel Ackers an sein Following, bat um zahlreiche Unterstützung zur Saisonpremiere und ging auch kurz auf die Willi-Problematik ein; unter anderem verkündete er, ich zitiere: „Gerüchte, er hätte Drogen genommen sind absolut lächerlich!!!“


Ich weiss ja nicht, wie das so in Ihrem Betrieb abläuft. Bei uns beispielsweise kommt am Montag ein Rundschreiben der Geschäftsführung, in dem „nochmals“ darauf hingewesen wird, dass die dieselbetriebenen Firmenwagen doch bitte auch nur mit Diesel zu betanken sind - keine fünf Minuten laufen die Telefone heiss und jeder, aber wirklich jeder Mitarbeiter will wissen, welcher Trottel denn diesmal den falschen Sprit in den Bully gehauen hat. Etwas ähnliches passierte nach dem Ackers-Kommentar in meinen WhatsApp-Gruppen - wirklich niemand hatte zuvor von diesem Gerücht gehört, doch dank Michel war es nun in aller Munde. Shit happens!

Aller Lästerei zum Trotz muss ich sagen, dass ich diesen Beitrag vom Ackers ziemlich klasse fand; er wies darauf hin dass Gross zwei Jahre lang ein verdientes Mitglied des Teams war und man bei der zu erwartenden Vereinsschelte doch bitte im Rahmen bleiben möge. Dies war der richtige Beitrag zur richtigen Zeit, und nun sind wir auch bei meiner Überraschung: es ist wirklich nix passiert! Sicherlich spielte der Spielverlauf dem Verein in die Karten, doch unterm Strich blieb es bei einem „Willi-Gross-Gesang“ zu Beginn und das war´s. Klasse Verhalten - oder aber die Jungs hatten zu wenig Zeit, um ´nen Erstes-Drittel-Boykott zu planen.


"Scheisse, jetzt hab´ich den Boykott verpasst!"

Ich denke aber, beim Ausbleiben der Fanrevolte spielt noch ´ne andere Sache mit ´rein - und mit dieser Theorie könnte ich mich recht unbeliebt machen. Denn aus rein spielerischer Sicht ist der Weggang von Gross durchaus zu kompensieren. Ich befürchte, dass zu Beginn seiner Zeit in Herne gewisse Niedlichkeitsmechanismen gegriffen haben - kleiner Mann, grosser Kämpfer, lustiger Name und dann auch noch ein Willi - hey, den lassen wir tanzen! Nix für ungut, liebe Fans, aber damit tut man Gross ebenso unrecht wie die Tatsache, dass man seine spielerische Leistung (nicht unersetzlich, aber doch guter OL-Standard) aussen vor lässt, so wie ich es im Netz lesen konnte: „Och scheisse, ausgerechnet der Willi! Und wer kommt jetzt? Sollte ja schon ´ne Hausnummer sein, ne?“